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Die Abenteuer des Joel Spazierer - eine sehr subjektive Lobhudelei

Februar 19th, 2013

Das Schräggedruckte vorneweg: Es ist schon eine recht abenteuerliche Geschichte, wie ich zu dem Buch gekommen bin … ich mach es kurz und schmerzlos. Ich habe einfach einen frechen Kommentar zu einer Frühjahrsbucherscheinungsankündigung des Hanser Verlages getätigt und lag damit in guter Gesellschaft mit dem Hauptprotagonisten des Buches selbst … und bekam als Dank dafür erstens möglicherweise ein Schmunzeln (was ich so rein internetmäßig nicht überprüfen konnte) und eben das Buch als Leseexemplar. Noch mal Danke dafür …

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Michael Köhlmeier hat ein neues Buch draußen. Einen “Schelmenroman”. Ein grandioses Feuerwerk der Sprachgewandtheit. Ein Buch, welches mich mindestens eine Woche vor voller Faszination sprachlos machte.
Einmal mehr ein Buch, welches es in sich hat. Nämlich genau das, was mich glücklich macht.

Es hat einen Protagonisten, der alles andere als ein Held ist. Eher ein schräger zum eigentlichen Scheitern verurteilter Antiheld, der aber gar kein Antiheld sein kann. Denn ihm gelingt einfach alles, was er sich in den Kopf gesetzt hat. Joel Spazierer, der unter einem anderen Namen in Budapest kurz nach dem Weltkrieg geboren wurde in eine Familie voller schlauer Köpfe, die es damals nicht leicht hatten, vor allem nicht, wenn sie nicht Ja und Amen zu der ungarischen Regierung hatten, die etwas zu sehr Stalinhörig, diktatorisch und eben unschön zu Anderen war. Dieses Kind jedenfalls damals 4 Jahre alt, als seine Eltern verhaftet wurden, musste 5 Tage und 4 Nächte in der heimischen Wohnung alleine überleben. Das hat ihn tief geprägt. Möglicherweise erkennt man dies nicht in den ersten Zeilen des Buches, aber sehr wohl am Ende des Werkes. Dieser jener Joel Spazierer, der alles mögliche ist Fälscher, Lügner, Charmeur, Unschuldslamm, Spieler, Drogendealer, zwischendurch auf Mörder, Knastbruder, Theologiestudent und am Ende auch noch Enkelsohn eines kommunistischen Helden in der DDR und Professor für … wie hieß es noch mal so schön atheistische Philosophie. Dabei hat der gute Antiheld, der als Ich-Erzähler versucht mit Hilfe seines Kumpels Sebastian Lukasser, den geneigte Leser von Michael Köhlmeier bereits von “Abendland” kennen, seine Geschichte als 60 Jähriger Mann nieder zu schreiben. Es ist schön, wie Joel Spazierer dabei selbst über seine Formulierungsschwierigkeiten abschweift. Wie Schreibtipps von Lukasser eingefügt werden. Es ist fantastisch, wie Reminiszenzen an die Geschichte Mitteleuropas nach dem zweiten Weltkrieg gegeben werden. Es ist unglaublich spannend und witzig geschrieben, wie Spazierer mit jeder Etappe seines Lebens, also quasi mit jedem neuen Namen, den er sich zulegt, immer wieder neue Wege sucht, Geld zu verdienen. Wege findet, sich beliebt in der gerade passenden Umwelt zu machen. Immer wieder auch Wege findet, sich genau in dieser Umwelt Gegenpole oder eben Feinde zu machen. Es ist eine nicht enden wollende Achterbahn der Gefühle für den Leser, der aufgrund Joel Spazierers Martyrium als Kind, für eben jenen Partei ergreift. Egal was er gerade mal wieder treibt.

Dieser Köhlmeier war absoluter Zucker für mein Hirn, für meine Seele und bereitete mir die ein oder andere schöne S-Bahn-Fahrt.

So, und weil ich erstens von dem Inhalt des Buches nichts verraten mag und ich andererseits sowieso nicht halbwegs objektiv zu dem Buch und dessen Inhalt schriftlich verausgaben kann, werde ich diesem emotionalen Überschwang ein Ende bereiten und einfach schreiben: “ICH EMPFEHLE EUCH DIESES BUCH …”

weil:

  • Köhlmeiers Sprache ein Genuss ist. Seine Sätze springen von Zeile zu Zeile wie jeder Neurotransmitter von Synapse zu Synapse springt
  • Joel Spazierer ist der geborene Antiheld, der viel Mist baut, aber dem man es einfach nicht übel nehmen kann und er nebenher auch noch richtig schlaue Dinge sagt und sein Mist auch noch ab und an gerechtfertigt ist.
  • Köhlmeier ist ein Meister, wenn es darum geht Geschichtsthemen recht populär in Belletristik hinein zu flechten. Ich fühle mich nach der Literatur nicht nur sehr gut unterhalten gewesen zu sein, sondern ich habe nebenbei auch immer was gelernt, wie auch in diesem Buch geschehen.
  • man allen Protagonisten im Buch ihre Handlungen abnimmt. Es wirkt nichts gekünstelt. Das ist für meine Begriffe … eine echte Kunst.

Schluss mit der Lobhudelei … ich habe gerade heute gesehen, dass dieses Buch bei meinem Drogendealer des Vertrauens Perle des Monats geworden ist. Zurecht … und was richtig cool ist … Michael Köhlmeier auch noch zur Signierstunde am 20.03.2013 zwischen 17  und 17:30 Uhr eben dort bei Cohen & Dobernigg in Hamburg da sein wird (hei und ich werde für soviel Lobhudelei gar nicht bezahlt … naja, ich habe das Buch geschenkt bekommen)

Infos zum Buch …

erschienen am: 28.01.2013 im Hanser Verlag
Hardcover, 656 Seiten

ISBN: 978-3-446-24178-7

P.S.: Habe ich schon erzählt, dass ich zur lit.cologne zur Köhlmeier Lesung fahre?! Nein?! Dann habe ich es eben jetzt getan. Ich werde es genießen.

abgelegt unter: Egozentrum, Literatur


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